Main Echo: »Die Böden auf­nahme­fähi­ger machen«

Geschrieben am 12.10.2020



Bürgermeister Peter Seitz (links) begrüßt zur Auftaktveranstaltung des Projektes »boden:ständig« für den Kahlgrund in der Krombachhalle. Foto: Marion Stahl


Umwelt: Auftaktveranstaltung für das Projekt »boden:ständig« - Landwirtschaftliche Versuchsfläche im Kahlgrund

Kaum jemand, der es erlebt hat, wird das Hochwasser am 4. Mai 2017 im Kahlgrund jemals vergessen. Eingebrannt haben sich vor allem die Bilder vom Friedhof in Mömbris-Niedersteinbach, über den scheinbar Massen an Regenwasser von den oberhalb gelegenen Hängen ungehindert rauschten und unzählige Gräber und sogar Stützmauern mit sich rissen. Um solche Schäden - Mömbris war seinerzeit mit über zehn Millionen Euro am schwersten betroffen - in Zukunft zumindest zu minimieren, wurde das Projekt »boden:ständig Kahlgrund« ins Leben gerufen.

Es setzt am Ursprung einer solchen Katastrophe an: etwa an trockenen und unbepflanzten Flächen, die den Regen kaum auffangen können. Die offizielle Auftaktveranstaltung fand jetzt - wegen der Corona-Regeln nur mit einem kleinen Teil der Beteiligten - in der Krombachhalle statt.

»Das ist kein Pflichtprogramm für Landwirte. Die Teilnahme ist freiwillig«, betonte Projektkoordinatorin Lena Priesemann vom Amt für Ländliche Entwicklung Unterfranken (ALE). Wer allerdings engagiert mitarbeite, erlebe »einen Dreiklang aus Boden, Landschaft und Gewässer«, der letztlich zum gewünschten Erfolg führe.

Rekultivierung von Auen

Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass das Klima kaum, die Bewirtschaftung dagegen sehr gut zu beeinflussen seien, nannte Priesemann zahlreiche Lösungsmöglichkeiten. Darunter die Rekultivierung von Auen an Gewässern sowie der Anbau von Zwischenfrucht auf Äckern, wie er seit Jahrzehnten von jenen Landwirten im Kahlgrund praktiziert wird, die sich nach dem Hochwasser 2017 zusammen mit der Kommunalen Allianz Kahlgrund-Spessart (KA) auf die Suche nach Lösungen machten.

Nach Angaben von Joachim Omert, Sachgebietsleiter Landwirtschaft beim ALE, fokussiert sich das Projekt im Kahlgrund auf ein 2,2 Hektar großes Teilgebiet der KA. Dazu gehören die Gemeinden Blankenbach, Geiselbach, Krombach, Mömbris, Schöllkrippen und Westerngrund; manche ganz, andere in Teilen. Es seien aber jederzeit Unterprojekte möglich, wie sie in Kleinkahl schon begonnen hätten und in Sailauf und Mömbris in den Startlöchern stünden.

Als Demoflächenversuch werde es bereits umgesetzt. Diese erste Probefläche befinde sich zwischen Krombach und Schöllkrippen und soll auf fünf unterschiedliche Arten gedüngt werden; etwa mit Kalk aus der Region oder mit Brandkalk. Umgesetzt werden soll zudem der Vorschlag von Günter Zang, einem der initiierenden Landwirte aus Schöllkrippen. Dabei handelt es sich um die Zugabe von Kompost; gewonnen aus einer geplanten Kompostieranlage. »Das können wir machen, sobald Kompost vorrätig ist, also wahrscheinlich im nächsten Jahr«, sicherte Omert zu. Nach fünf Jahren sollen die Ergebnisse des Demoflächenversuchs ausgewertet werden.

Erstellt werden soll zudem ein umfassender, dem Kahlgrund angepasster Maßnahmenkatalog. Basieren soll er auf der »Konzeptstudie Boden- und Erosionsschutz im Kahlgrund-Spessart«, die von der KA vor zwei Jahren in Auftrag gegeben worden sei und deren Ergebnisse seit Jahresbeginn vorliegen. Erstellt werde das Maßnahmenkonzept vom Büro GeoTeam, Gesellschaft für umweltgerechte Land- und Wasserwirtschaft mbH aus Bayreuth.

Auf Grundregeln besinnen

Als Vertreter des Büros erklärte der Geoökologe Reinhard Wesinger, dass die Arbeiten, die in der Erstellung eines Bestands- und Bewertungsplans münden sollen, im November starten sollen. Um die wichtigen Informationen der Bewirtschafter vor Ort zu erhalten, sollen demnächst die ersten Treffen stattfinden. Das Projekt Kahlgrund sei zwar irgendwann zu Ende. Der Einsatz dagegen nicht: »Man kann nie sagen, jetzt haben wir genug getan, denn man weiß nie, was wirklich kommt«, sagte Wesinger.

Stefan Köhler, unter anderem Bezirkspräsident Unterfranken des Bayerischen Bauernverbands (BBV), hob noch hervor, dass der Klimawandel vor allem in der Landwirtschaft spürbar sei. Es sei daher gut, sich auf die für den Boden geltenden Grundregeln zurückzubesinnen. Und Allianzsprecher Marc Babo, Bürgermeister von Schöllkrippen, hoffte, dass möglichst viele »vom Schwung dieses Pilotprojekts« mitgenommen werden.

Hintergrund: Projekt »boden:ständig«
Ziel des 2015 bayernweit initiierten Projekts »boden:ständig« ist es, zusammen mit Landwirten der jeweiligen Region die Böden durch gezielte Bewirtschaftung wasseraufnahmefähiger zu machen und die Erosion (Bodenabtrag durch Wind und Wasser) auf den Äckern zu verringern. Zu den initiierenden Landwirten im Kahlgrund gehören Günter Zang aus Schöllkrippen, Josef Fleckenstein aus Krombach und drei weitere Landwirte aus Kleinkahl, Wiesen und Heinrichsthal. Sie bilden eine Betriebsgemeinschaft, an der jeder mit seinem Anteil an Ackerflächen beteiligt ist und die einen gemeinsamen Maschinenpark unterhält. Bereits in einem früheren Gespräch mit unserem Medienhaus führte Zang aus, dass ein umfassendes Grundlagenwissen nötig sei, um Landwirtschaft betreiben zu können. Dazu gehöre das Wissen über chemische und biologische Vorgänge, denn die Elemente Calcium, Kalium, Magnesium und Natrium müssten im richtigen Verhältnis stehen, damit der Boden als Wasserspeicher funktionieren könne. Die Landwirte der Betriebsgemeinschaft bearbeiten daher schon seit Jahrzehnten die Äcker ohne Pflug, legen Wasserschutzstreifen an und sorgen mit dem Anbau von Zwischenfrucht dafür, dass die Flächen auch während der Wintermonate nicht brach liegen.

mst